Barrierefreiheit: Nutzen für alle
v.l.n.r.: Freddy Tripold, Tripold-Lobner OG, Georg Reschen, Obmann-Stv. der Fachgruppe Werbung & Marktkommunikation, Manuela Gsöll, Kommunikation Land Steiermark, mARTin Hinterdorfer, e‑dvertising — Hinterdorfer & Edlinger OG, Johannes Lehner, Intact GmbH, Mag. Siegfried Suppan, Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung, Land Steiermark
© Foto Fischer
„Barrierefreiheit bzw. die Einhaltung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) ist keine Raketenwissenschaft. Es gibt ein paar wenige Regeln, die man kennen und befolgen muss.“ Das meint Freddy Tripold, seines Zeichens, Softwareentwickler und Experte für barrierefreie Websites. Er war einer von 5 Vortragenden im Rahmen des Workshops „Barrierefrei. Besser. Für alle“ am 21. Oktober im UNICORN Startup & Innovation Hub. Dabei gab’s geballte Informationen, sowohl was die technische Umsetzung als auch die rechtliche Bedeutung betrifft. Fazit: Barrierefreiheit bringt allen etwas – und ist einfacher umzusetzen, als man denkt.
Den Anfang machte Manuela Gsöll, Referentin für Web-Barrierefreiheit beim Land Steiermark, das großes Interesse daran hat, Barrierefreiheit noch besser umzusetzen. „Wir reden nicht nur von einer kleinen Minderheit, rund ein Viertel der Menschen ist in irgendeiner Form von einer Einschränkung betroffen. Das umfasst körperliche Beeinträchtigungen genauso wie Hindernisse, mit denen etwa ältere Menschen, Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen oder unzureichenden digitalen Kenntnissen konfrontiert sind.“ Der Mehrwert besteht zusätzlich darin, dass alle Menschen davon profitieren. Dieser Curb-Cut-Effekt – damit sind abgesenkte Gehsteigkarten gemeint, die nicht nur Menschen im Rollstuhl zugutekommen – eröffnet wiederum zahlreiche Möglichkeiten. Für mARTin Hinterdorfer, der sich seit vielen Jahren für digitale Barrierefreiheit einsetzt, ergibt sich dadurch ein „Riesen-Potenzial, sich unter die Top-Anbieter bei barrierefreien Websites zu reihen“.
Häufigste Probleme
Die meisten Fehler bei Online-Angeboten passieren bei Farbkontrasten und Farbkonzepten, Alternativtext, fehlender Tastaturfähigkeit (für Menschen, die eine Website nur mit der Tastatur bedienen können), Animationen und Videos sowie bei Schriften in Bildern. Das Wichtigste ist allerdings der Code, denn eine saubere HTML-Struktur ist Voraussetzung für eine barrierefreie Nutzung. Mögliche Fehlerquellen dabei sind falsche Überschriftenhierarchien, falsch strukturierte Listen oder unsauber ausgezeichnete Labels, Formulare oder Tabellen. Wichtig zu wissen: Social-Media-Kanäle sind ebenso davon betroffen und auch Dokumente unterliegen den Anforderungen der Barrierefreiheit, das heißt, auch Word‑, Excel- oder PDF-Dateien müssen barrierefrei erstellt werden. Und noch ein Tipp: Overlays – also grafische Benutzeroberflächenebene, die über den Hauptinhalt einer Webseite gelegt werden – sind nicht zu empfehlen. Eine gute Website muss auch ohne Overlays zugänglich sein.
Beraten vor Strafen
Was geschieht, wenn Angebote nicht den Standards für Barrierefreiheit entsprechen? Siegfried Suppan, Leiter der Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung beim Land Steiermark, erklärt: „Wird bei einer Überprüfung festgestellt, dass das digitale Angebot nicht ausreichend barrierefrei ist, dann fordert die Behörde, die im Sozialministeriumsservice angesiedelt ist, zunächst einmal zur Herstellung der Konformität auf.“ Dabei gilt der Grundsatz „Beraten vor Strafen“: In weiterer Folge drohen jedoch Strafzahlungen zwischen 10.000 und 80.000 Euro bis hin zur kompletten Einstellung des Betriebs des digitalen Angebots. Suppan betont, dass es aktuell noch keine Rechtsprechung dazu gibt. Wie man also tatsächlich damit umgeht, werde sich erst im Lauf der Zeit herausstellen. Sein Appell an die Agenturen: „Sagt euren Auftraggeber:innen, dass das Thema Barrierefreiheit sinnvoll und wichtig ist.“ Zurücklehnen und warten, was passiert, ist jedenfalls keine gute Idee, denn: „Die Gefahr der massenhaften Abmahnung durch Anwälte, wie das bei Google Fonts der Fall war, ist gegeben.“
Selbst prüfen
Wer nicht sicher ist, ob seine digitalen Angebote barrierefrei sind, hat zahlreiche Möglichkeiten, einen Selbstcheck durchzuführen. Mit dem Open Source Screen Reader NVDA kann man sich etwa Websites vorlesen lassen und so Fehler identifizieren. Die Website www.digitalbarrierefrei.at liefert Anleitungen, Checklisten und rechtliche Rahmenbedingungen für die Erstellung und Prüfung barrierefreier Websites und Apps sowie eine Möglichkeit, Beschwerden über digitale Hindernisse einzureichen. atomica11y.com bietet ebenfalls Hilfestellungen bei der Implementierung von digitaler Barrierefreiheit. Johannes Lehner hat das von ihm entwickelte WCAG 2.2 Card Deck präsentiert, ein kostenloses, praxisorientiertes Toolkit, das die umfangreichen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.2 in übersichtlichere Karten vereinfacht. Es soll Design‑, Content- und Entwicklungsteams helfen, die Barrierefreiheitsstandards leichter zu verstehen und direkt in ihre Arbeit (wie Audits, Schulungen oder Design-Reviews) zu integrieren.
Präsentationen:

