Zum Inhalt
Fach­grup­pe

Bar­rie­re­frei­heit: Nutzen für alle

27/10/2025

v.l.n.r.: Freddy Tripold, Tripold-Lobner OG, Georg Reschen, Obmann-Stv. der Fach­grup­pe Werbung & Markt­kom­mu­ni­ka­ti­on, Manuela Gsöll, Kom­mu­ni­ka­ti­on Land Stei­er­mark, mARTin Hin­ter­dor­fer, e‑dvertising — Hin­ter­dor­fer & Edlin­ger OG, Johan­nes Lehner, Intact GmbH, Mag. Sieg­fried Suppan, Anwalt­schaft für Men­schen mit Behin­de­rung, Land Steiermark

© Foto Fischer

„Bar­rie­re­frei­heit bzw. die Ein­hal­tung der Web Content Acces­si­bi­li­ty Gui­de­lines (WCAG) ist keine Rake­ten­wis­sen­schaft. Es gibt ein paar wenige Regeln, die man kennen und befol­gen muss.“ Das meint Freddy Tripold, seines Zei­chens, Soft­ware­ent­wick­ler und Experte für bar­rie­re­freie Web­sites. Er war einer von 5 Vor­tra­gen­den im Rahmen des Work­shops „Bar­rie­re­frei. Besser. Für alle“ am 21. Oktober im UNICORN Startup & Inno­va­ti­on Hub. Dabei gab’s geball­te Infor­ma­tio­nen, sowohl was die tech­ni­sche Umset­zung als auch die recht­li­che Bedeu­tung betrifft. Fazit: Bar­rie­re­frei­heit bringt allen etwas – und ist ein­fa­cher umzu­set­zen, als man denkt.

Den Anfang machte Manuela Gsöll, Refe­ren­tin für Web-Bar­rie­re­frei­heit beim Land Stei­er­mark, das großes Inter­es­se daran hat, Bar­rie­re­frei­heit noch besser umzu­set­zen. „Wir reden nicht nur von einer kleinen Min­der­heit, rund ein Viertel der Men­schen ist in irgend­ei­ner Form von einer Ein­schrän­kung betrof­fen. Das umfasst kör­per­li­che Beein­träch­ti­gun­gen genauso wie Hin­der­nis­se, mit denen etwa ältere Men­schen, Men­schen mit schlech­ten Deutsch­kennt­nis­sen oder unzu­rei­chen­den digi­ta­len Kennt­nis­sen kon­fron­tiert sind.“ Der Mehr­wert besteht zusätz­lich darin, dass alle Men­schen davon pro­fi­tie­ren. Dieser Curb-Cut-Effekt – damit sind abge­senk­te Geh­steig­kar­ten gemeint, die nicht nur Men­schen im Roll­stuhl zugu­te­kom­men – eröff­net wie­der­um zahl­rei­che  Mög­lich­kei­ten. Für mARTin Hin­ter­dor­fer, der sich seit vielen Jahren für digi­ta­le Bar­rie­re­frei­heit ein­setzt, ergibt sich dadurch ein „Riesen-Poten­zi­al, sich unter die Top-Anbie­ter bei bar­rie­re­frei­en Web­sites zu reihen“.

Häu­figs­te Probleme
Die meisten Fehler bei Online-Ange­bo­ten pas­sie­ren bei Farb­kon­tras­ten und Farb­kon­zep­ten, Alter­na­tiv­text, feh­len­der Tas­ta­tur­fä­hig­keit (für Men­schen, die eine Website nur mit der Tas­ta­tur bedie­nen können), Ani­ma­tio­nen und Videos sowie bei Schrif­ten in Bildern. Das Wich­tigs­te ist aller­dings der Code, denn eine saubere HTML-Struk­tur ist Vor­aus­set­zung für eine bar­rie­re­freie Nutzung. Mög­li­che Feh­ler­quel­len dabei sind falsche Über­schrif­ten­hier­ar­chien, falsch struk­tu­rier­te Listen oder unsau­ber aus­ge­zeich­ne­te Labels, For­mu­la­re oder Tabel­len. Wichtig zu wissen: Social-Media-Kanäle sind ebenso davon betrof­fen und auch Doku­men­te unter­lie­gen den Anfor­de­run­gen der Bar­rie­re­frei­heit, das heißt, auch Word‑, Excel- oder PDF-Dateien müssen bar­rie­re­frei erstellt werden. Und noch ein Tipp: Over­lays – also gra­fi­sche Benut­zer­ober­flä­chen­ebe­ne, die über den Haupt­in­halt einer Web­sei­te gelegt werden – sind nicht zu emp­feh­len. Eine gute Website muss auch ohne Over­lays zugäng­lich sein.

Beraten vor Strafen
Was geschieht, wenn Ange­bo­te nicht den Stan­dards für Bar­rie­re­frei­heit ent­spre­chen? Sieg­fried Suppan, Leiter der Anwalt­schaft für Men­schen mit Behin­de­rung beim Land Stei­er­mark, erklärt: „Wird bei einer Über­prü­fung fest­ge­stellt, dass das digi­ta­le Angebot nicht aus­rei­chend bar­rie­re­frei ist, dann fordert die Behörde, die im Sozi­al­mi­nis­te­ri­ums­ser­vice ange­sie­delt ist, zunächst einmal zur Her­stel­lung der Kon­for­mi­tät auf.“ Dabei gilt der Grund­satz „Beraten vor Strafen“: In wei­te­rer Folge drohen jedoch Straf­zah­lun­gen zwi­schen 10.000 und 80.000 Euro bis hin zur kom­plet­ten Ein­stel­lung des Betriebs des digi­ta­len Ange­bots. Suppan betont, dass es aktuell noch keine Recht­spre­chung dazu gibt. Wie man also tat­säch­lich damit umgeht, werde sich erst im Lauf der Zeit her­aus­stel­len. Sein Appell an die Agen­tu­ren: „Sagt euren Auftraggeber:innen, dass das Thema Bar­rie­re­frei­heit sinn­voll und wichtig ist.“ Zurück­leh­nen und warten, was pas­siert, ist jeden­falls keine gute Idee, denn: „Die Gefahr der mas­sen­haf­ten Abmah­nung durch Anwälte, wie das bei Google Fonts der Fall war, ist gegeben.“

Selbst prüfen
Wer nicht sicher ist, ob seine digi­ta­len Ange­bo­te bar­rie­re­frei sind, hat zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten, einen Selbst­check durch­zu­füh­ren. Mit dem Open Source Screen Reader NVDA kann man sich etwa Web­sites vor­le­sen lassen und so Fehler iden­ti­fi­zie­ren. Die Website www.digitalbarrierefrei.at liefert Anlei­tun­gen, Check­lis­ten und recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für die Erstel­lung und Prüfung bar­rie­re­frei­er Web­sites und Apps sowie eine Mög­lich­keit, Beschwer­den über digi­ta­le Hin­der­nis­se ein­zu­rei­chen. atomica11y.com bietet eben­falls Hil­fe­stel­lun­gen bei der Imple­men­tie­rung von digi­ta­ler Bar­rie­re­frei­heit. Johan­nes Lehner hat das von ihm ent­wi­ckel­te WCAG 2.2 Card Deck prä­sen­tiert, ein kos­ten­lo­ses, pra­xis­ori­en­tier­tes Toolkit, das die umfang­rei­chen Web Content Acces­si­bi­li­ty Gui­de­lines (WCAG) 2.2 in über­sicht­li­che­re Karten ver­ein­facht. Es soll Design‑, Content- und Ent­wick­lungs­teams helfen, die Bar­rie­re­frei­heits­stan­dards leich­ter zu ver­ste­hen und direkt in ihre Arbeit (wie Audits, Schu­lun­gen oder Design-Reviews) zu integrieren.

Prä­sen­ta­tio­nen: