Immer wieder schreiben Unternehmen Aufträge für die Kreativbranche aus. Wer daran teilnimmt, kann mit kreativen Konzepten neue Kund:innen an Land ziehen. Aber wie entscheiden Unternehmen, welche Agentur den Zuschlag erhält? Wir haben bei Mag. Hannes Wuchterl, Geschäftsführer der ZEV Nah&Frisch Marketingservice, Mag. Harald Fleischer, Marketing Manager beim ÖAMTC, und MMag. Martin Vettori, Leitung Hochschulmarketing & PR an der FH des BFI Wien, nachgefragt.
Worauf achten Sie besonders bei Teilnahmen an Ausschreibungen?
Hannes Wuchterl: Für mich sind dabei zwei Dinge besonders relevant: Welche Referenzen kann die Agentur vorweisen? Und für mich persönlich noch wichtiger ist, dass ich das Gefühl habe, dass die Verantwortlichen in den Agenturen zu Nah&Frisch passen. Wir sind im ländlichen Bereich vertreten und dafür soll die Agentur ein Gefühl haben. Dabei zählt einerseits der erste Eindruck, den das Konzept vermittelt, aber dann in weiterer Folge auch der persönliche Kontakt, wenn Agenturen zum Pitch eingeladen werden.
Harald Fleischer: Wir machen keine klassischen Ausschreibungen, sondern laden Agenturen, die uns für den Auftrag passend erscheinen, direkt zum Pitch ein. Die Agenturen wählen wir nach Rankings und Referenzen aus. Vor dem Pitch bekommen diese ein genaues Briefing und können zusätzlich auch genauer nachfragen. Dass Agenturen diese Möglichkeit nutzen, ist uns wichtig – so sehen wir, ob sie sich wirklich Gedanken machen und unsere Erwartungen zu erfüllen versuchen. Beim Pitch ist es wichtig, dass die Agentur schnell zum Punkt kommt und nicht detailliert auf das Briefing eingeht – immerhin wissen wir ja, was da steht.
Martin Vettori: Wir wenden uns anlassbezogen an Agenturen, wenn wir Aufträge zu vergeben haben. Die Agenturen sollten zur Größe der FH passen. Für “große” Agenturen sind Hochschulen vermutlich zumeist kleine Fische, aber für kleinere können sich selbst Hochschul-Etats lohnen. Das wirkt sich meistens auch auf das Commitment der Agenturen für ihre Kund:innen aus. Von Vorteil ist es auch, wenn die Agenturen bereits in einer ähnlichen Branche gearbeitet haben. Der gemeinnützige Bereich hat doch so seine Eigenheiten.
Was darf in keinem guten Konzept fehlen?
Hannes Wuchterl: Das Konzept muss zeigen, dass die Agentur unsere Marke versteht. Außerdem ist uns wichtig, dass die Markenkommunikation ganzheitlich gedacht wird – also nicht nur online sondern auch die klassische Kommunikation mit Printprodukten und Co. Auch wenn eine Agentur nicht alle Elemente anbietet, so muss sie trotzdem alle mitbedenken.
Harald Fleischer: Ein gutes Konzept denkt Dinge zu Ende – die Vorschläge müssen umsetzbar und finanzierbar sein. Deshalb darf eine nachvollziehbare Kostenkalkulation auf keinen Fall fehlen. Ein toller Vorschlag, der jedoch viel zu teuer ist, bringt weder der Agentur noch dem Auftraggeber etwas.
Martin Vettori: Im gesamten Konzept muss spürbar sein, dass sich die Agentur mit dem Unternehmen, seinen Needs, seiner Umwelt und Zielgruppen auseinandergesetzt hat. Außerdem ist mir wichtig, dass im Konzept ersichtlich ist, welche Mitarbeiter:innen uns betreuen würden, ob diese auf der Senior- oder Juniorstufe sind. Auf keinen Fall dürfen bereits erste Ideen fehlen, auch wenn wir in der Regel keine Abschlagszahlungen machen können. Aber ohne derartigen Input ist es schwierig zu bewerten, ob eine Agentur zu uns passt oder nicht.
Was sind absolute No-Gos?
Hannes Wuchterl: Auf der sachlichen Ebene sind es Themenverfehlungen oder fehlende Elemente, die in der Ausschreibung verlangt werden. Auf der persönlichen Ebene ist es für mich das Gefühl, dass es nicht „menschelt“. Das kreativste Konzept reicht nicht aus, wenn es zwischenmenschlich nicht passt.
Harald Fleischer: Wenn sich die Agentur über das Briefing hinwegsetzt – also etwas anderes anbietet als gefordert wird. Zusätzliche Ideen werden natürlich gerne gesehen, aber das Briefing darf dabei nicht verloren gehen.
Martin Vettori: 08/15-Inhalte sind für mich ein absolutes No-Go. In einem Konzept haben allgemeiner Content und Ideen, die man bei jedem Unternehmen einreichen könnte, meiner Meinung nach nichts zu suchen. Auch auf einen „Logofriedhof“ der vielen Kund:innen, die bereits betreut wurden, kann ich verzichten. Mich interessieren nur vergleichbare Kund:innen. Ein wichtiger Punkt ist auch das erste Angebot. Ich halte nicht viel von Agenturen, die zuerst Aufschläge miteinberechnen, um dann anschließend „großzügig“ Rabatte zu gewähren.
Welche Tipps würden Sie Agenturen für die Teilnahme an Ausschreibungen geben?
Hannes Wuchterl:Verschaffen Sie sich ein tiefes Verständnis über den Markt, in dem das Unternehmen agiert, und über die Marke! Das bedeutet, dass die Agenturen im Fall von Nah&Frisch die Menschen, die die Marke ausmachen, verstehen müssen. Das sind selbstständige Kaufleute, die am Land tätig sind – die Agentur muss ein Gefühl dafür haben, was deren Leben und Umfeld auszeichnet.
Harald Fleischer: Lassen Sie die Finger von Ausschreibungen mit unvollständigem Briefing oder fragen Sie nach! Schwammige Formulierungen sollten auf jeden Fall konkretisiert werden, bevor man damit beginnt, ein Konzept auszuarbeiten. Das gilt auch für die Art der Umsetzung im Konzept. Für manche Auftraggeber:innen reichen Scribbles aus. Für andere müssen die Ideen genauer ausgearbeitet werden, damit sie sich mehr darunter vorstellen können. Das führt jedoch zu einem Mehraufwand. Deshalb ist es auch hier am besten, wenn man frühestmöglich abklärt, was erwartet wird.
Martin Vettori: Agenturen sollten versuchen, sich in den Kunden hineinzuversetzen und seine Ressourcen und Möglichkeiten zu verstehen. Außerdem schätze ich es sehr, wenn Agenturen vor dem Einsenden der Konzepte bzw. vor Pitches detailliert nachfragen. So merke ich, dass sie sich mit der FH beschäftigen und sich um uns als Kunden bemühen.