„Künstliche Intelligenz ist in der Realität angekommen“
KI ist gekommen, um zu bleiben. Schön, aber was nun? Antworten darauf gab’s bei 2 Vorträgen im Anschluss an die heurige Fachgruppentagung. Zu Wort kamen der Grazer Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperte Stefan Schoeller sowie Karoline Gericke von AWED Studio in Hamburg. Wir haben mit beiden ein Gespräch geführt.
„Künstliche Intelligenz ist in der Realität angekommen“
Karoline Gericke vom Hamburger Awed Studio sieht die Künstliche Intelligenz nicht als Feindin der Kreativen, sondern hat Programme wie ChatGPT oder Midjourney bereits in ihre täglichen Arbeitsläufe integriert. Sie rät zur radikalen Offenheit, aber auch zur vollständigen Transparenz gegenüber Kundinnen und Kunden.
Wird der Hype rund um KI in letzter Zeit tatsächlich weniger oder täuscht der Eindruck?
Nein, der Eindruck täuscht nicht, der Hype flaut wirklich etwas ab. Einerseits ist die anfängliche Angst etwas weniger geworden, denn die Menschen beginnen zu verstehen, dass KI wirklich als Tool zu verstehen ist – dafür ein ziemlich mächtiges. Es gibt zwar immer noch Menschen, die sich mehr auf die Verschwörungsideen fokussieren und darauf, dass KI die Weltherrschaft übernehmen könnte. Mein Eindruck im Allgemeinen ist jedoch: KI ist grundsätzlich in der Realität angekommen.
Wie wird KI im Kreativbereich in größerem Umfang genutzt?
Viele Marketingabteilungen und Agenturen nutzen Generative KI bereits, vor allem in der Konzeptionsphase, aber auch beim Erstellen von Content. ChatGPT wird in immer mehr Bereichen genutzt, auch über das Texten hinaus, beispielsweise in der Mediaplanung. Es gibt aber auch etliche Unternehmen, die noch zurückhaltend sind und abwarten, bis die gesetzlichen Rahmenbedingungen klar formuliert sind. Gerade in größeren Unternehmen ist es oft gar nicht erlaubt, KI bei der Arbeit zu nutzen.
Könnte „KI – ja oder nein“ zu einem Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb werden? Oder besteht die Gefahr, dass sich das Niveau nach unten nivelliert?
Was Menschen kreativ schaffen, hängt immer von ihrem Bezug zur Welt ab. Das sehen wir in der Kreation „da draußen“ und in unseren Midjourney-Kursen: Wer sich mit Kultur und Kunst beschäftigt, macht beispielsweise ganz andere Bilder als jemand, der zu Hause „im Kämmerlein“ sitzt. Erfahrung, die genuin menschlich ist, wird also weiterhin ein Unterscheidungsmerkmal sein.
Was bedeutet das für die Fotografie zum Beispiel?
Stockfotografie wird leicht zu ersetzen sein, da bin ich mir sicher, denn sie ist nicht kreativ im eigentlichen Sinne. Sie berührt uns nicht emotional. Das passiert nur, wenn man emotionale Intelligenz einbringt – was nur Menschen können. Die Tools entwickeln sich so schnell weiter, dass KI bestimmt auch bald in anderen Bereichen parallel zur Fotografie voll eingesetzt werden wird – oder sie zum Teil auch ablösen wird.
Wie machen Sie das in Ihrer Agentur? Wie wirken die Tools zusammen, sowohl bildgebende KIs als auch textbasierte?
Wir nutzen ChatGPT und Midjourney in unserer täglichen Arbeit. Die beiden in Kombination sind ein echtes Dreamteam. Wir haben beispielsweise eine Kooperation zwischen einem Markenhersteller und einem potenziellen Partner aufgebaut. Diese Tools helfen in jeder Phase: Man kann sich von ChatGPT bspw. Zielgruppenbeschreibungen oder Stärken-Schwächen-Analysen erstellen lassen: Aber, und das ist wichtig: Man muss vorher entsprechendes Hintergrundwissen einpflegen. Ich bekomme nur dann schlaue Antworten, wenn ich schlaue Fragen stelle. Viele Menschen denken sich dann: „Die KI kann nichts!“, dabei stellen sie nicht die richtigen Fragen. Mit Midjourney kann man schnell Prototypen von Produkten oder Konzepten visualisieren. Und auch hier ist entscheidend, dass man das Tool richtig bedienen kann.
Wie erkennt man, dass ein Text von ChatGPT kommt?
Wenn es zu viel des Guten ist. Beispielsweise gibt es oft ein Übermaß an Metaphern oder einen immer gleichen Rhythmus im Textfluss. Es fehlt dann auch die Variation in den Begriffen, eben Dinge, die menschliche Texterinnen und Texter wissen. Aber man kann das natürlich auch hineinbriefen.
In letzter Zeit ist ja keine Woche vergangen, in der nicht auf Twitter & Co. wegen KI ein neuer Beruf gestorben ist. Aber sie sind noch immer da! Werden die Expertinnen und Experten in den Kreativberufen also im Gegenteil vielleicht sogar wichtiger werden, weil sie eine Supervisor-Rolle übernehmen?
Das ist auch unsere Einschätzung – und Hoffnung. Studien besagen, dass repetitive Arbeiten durch Künstliche Intelligenz abgenommen werden können. Schon jetzt sparen nach einer Studie von HubSpot Marketeers rund 3 Stunden pro Content Piece. Es geht dann weniger ums Produzieren. Das Briefing wird immer wichtiger – und das Kuratieren am Ende.
Und die Kundinnen und Kunden wissen ja, dass es die Tools gibt …
Genau. Die Kundinnen und Kunden wissen, dass uns diese Tools zur Verfügung stehen. Wir bekommen mittlerweile Aufträge die lauten: „Wir brauchen einen Pitch mit 12 Motiven in 3 Tagen.“ Denn sie gehen davon aus, dass man viel schneller ist dank dieser Tools. Wobei das nicht immer stimmt. Man kann oft nicht genau abschätzen, ob ein konkretes Projekt mit Midjourney beispielsweise auch tatsächlich so schnell über die Bühne gehen wird, wie man sich das vorstellt.
Was bedeutet KI für die Glaubwürdigkeit in der Werbung und in der Kreativwirtschaft?
Man kann ja bereits in anderen Programmen wie Photoshop Bilder von Menschen „nachbauen“ – und solange man die Person nicht kennt, wird das nicht weiter auffallen. Bei KI stellt sich die gleiche Frage wie bei einer Fotografie. Die Probleme bleiben dieselben, es verschieben sich nur die Ebenen. Berührt uns ein KI-generierter Mensch weniger als ein realer? Bewegtbild ist beispielsweise noch schwer mit KI zu bewerkstelligen. Es wird noch dauern, bis wir überzeugende KI-generierte Videos haben werden. Jeder, der mit KI arbeitet, muss sich natürlich auch mit den ethischen Fragen beschäftigen – wie man mit den Biases, also eintrainierten Vorurteilen umgeht, wie transparent kommuniziert wird, und wie auch mit dem Thema Diversität umgegangen wird.
Was würden Sie jungen Kreativen raten, die am Anfang ihrer Karriere stehen?
Das Wichtigste ist Offenheit. Und zu verstehen, wo man KI braucht und wo nicht, und für sich selbst dann eine Entscheidung zu treffen. Dazu muss man die Tools natürlich zuerst kennenlernen. Ich war am Anfang auch skeptisch. Ich habe aber gemerkt, dass das Thema KI ab jetzt nicht mehr wegzudenken ist. Und es ist auch ziemlich spannend. Wenn man die KI nutzt, hat das wesentliche Vorteile – es macht zudem Spaß und beschleunigt die Arbeit immens. Außerdem hat man während des Kreativprozesses immer einen Sparringspartner, den man fragen kann: ChatGPT. Also zusammengefasst mein Rat: Macht euch nicht verrückt. Lest Bücher, geht in Museen. Und wer sich mit Bildern beschäftigt: Sprecht mit Fotografen und Künstlerinnen, lasst euch von der Natur inspirieren. Bleibt offen. Probiert es aus!