Künstliche Intelligenz: So bleibt man rechtlich auf der sicheren Seite
KI ist gekommen, um zu bleiben. Schön, aber was nun? Antworten darauf gab’s bei 2 Vorträgen im Anschluss an die heurige Fachgruppentagung. Zu Wort kamen der Grazer Rechtsanwalt und Urheberrechtsexperte Stefan Schoeller sowie Karoline Gericke von AWED Studio in Hamburg. Wir haben mit beiden ein Gespräch geführt.
Für den Grazer Anwalt und Urheberrechtsexperten Stefan Schoeller wirft der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der kreativen Arbeit eine Reihe von rechtlichen Fragen auf. Wichtig dabei ist, vorab zu klären, ob und in welchem Ausmaß Künstliche Intelligenz in der Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Unternehmen eingesetzt wird.
Wissen die Kreativen genug Bescheid über das Thema Urheberrecht generell – und speziell was KI betrifft?
Der Wissensstand in den großen Agenturen ist gut, in den kleinen oder dort, wo gerade ein Personalwechsel stattgefunden hat, kann das ein Problem sein, da dann Wissen verloren geht. Oft muss man wieder bei null anfangen. Der Wissensstand ist für die Basisfragen ausreichend.
Wenn man Texte und Bilder mit KI generiert, muss man dann ChatGPT, Midjourney etc. als
(Mit-)Autor angeben?
Wenn ich wissenschaftlichen Regeln unterliege, also etwa als Schülerin oder Student, und man ganze Passagen übernimmt, dann ja. Wenn ich ChatGPT aber nur nutze, um die Basis für eigene Ideen zu schaffen oder mich inspirieren zu lassen, ohne Beiträge 1:1 zu übernehmen, dann muss man nicht darauf hinweisen. Anders sieht es aus, wenn ich dafür bezahlt werde, Texte zu verfassen. Wenn ich den kompletten Text von ChatGPT generieren lasse, verstoße ich gegen eine vertragliche Verpflichtung. Denn beauftragt wurde schließlich die Agentur und nicht die Künstliche Intelligenz. Man muss den Kunden darauf hinweisen, dass man ChatGPT für Social Media verwendet. Das sollte sich dann aber auch im Honorar widerspiegeln.
Am besten, man spielt also immer mit offenen Karten?
Richtig, das ist die ideale Lösung. Man muss mit den Auftraggebern vereinbaren, dass (auch) ChatGPT verwendet wird. Die Kundinnen und Kunden werden nichts dagegen haben, wenn die Agentur in der Alltagskommunikation ChatGPT verwendet, aber sie werden da etwas dagegen haben, wo es um „Unique Claims“ oder Dinge wie Logos geht. Man sollte auch in den AGB klarmachen, wenn ChatGPT verwendet wird. Das betrifft sogar mich selbst als Anwalt: Ich habe mich beispielsweise mit Apothekenrecht beschäftigt und ChatGPT um Lösungen gefragt – die Antworten waren nicht schlecht, so, wie man es sich von einem Experten erwartet. Aber natürlich darf ich das nicht 1:1 übernehmen! Es geht auch um die eigene Expertise. Und alles muss offen kommuniziert werden.
Wie sieht es in anderen Bereichen außer Text aus, etwa in der Logo-Entwicklung?
Eine Werbeagentur hat einmal einen Test gemacht und die KI gefragt: „Mach mir einen Businessplan, Werbetexte, ein Logo und such mir passende Fotos für eine Bier-Brauerei mit Sitz in Graz.“ Das Ergebnis war mehr als verblüffend! Unter anderen deswegen, weil die Fragen an die Künstliche Intelligenz sehr klug gestellt waren. Beim Logo ist das aber problematisch, denn es kann etwa verwechslungsfähig sein. Daher ist es wichtig, sich im Markenregister umzusehen und den Vergleich zu anderen Marken selbst zu machen. Schließlich nähren sich die Bildgeneratoren ja aus Quellen, die es schon gibt. Dieses Thema ist aus rechtlicher Sicht mit vielen unbeantworteten Fragen behaftet. Eine sehr strittige Angelegenheit.
Kann man die Quellen, aus denen die Künstliche Intelligenz schöpft, auf bestehende Werke zurückführen? Wäre das urheberrechtlich ein Problem?
Der Pool an Quellen, aus denen die KI schöpft, wird immer größer. Daher wird es auch immer schwieriger, die Ergebnisse auf eindeutige Quellen zurückzuführen, aus denen die KI das Ergebnis generiert hat. Außerdem ist die KI mittlerweile intelligent genug, keine identen Dinge zu erzeugen. Meine Prognose: Es wird eher weniger Urheberrechtsstreitigkeiten geben, außer jemand kann tatsächlich nachweisen, dass es sich um ein identes Logo etc. handelt. Abgesehen davon: Urheberrechtsstreitigkeiten haben besonders in Österreich und in Deutschland einen hohen Streitwert, in Österreich zumindest 42.000 Euro.
Wie sieht es bei Musik oder akustischen Logos aus?
Diesen Fragen bin ich bereits begegnet. Es gibt beispielsweise Spiele-Entwickler, die Musik und Geräusche für Games herstellen. Es ergeben sich hier dieselben Urheberrechtsprobleme wie bei Bild oder Text: Wenn der Hersteller einen Soundtrack oder Geräusche aus anderen Quellen einfach verwendet, wird in Datenbanken eingegriffen, die geschützte Elemente enthalten. Sie gelten für sich genommen zwar nicht als Werk, etwa das Geräusch eines Vogelgezwitschers, aber die Datenbank ist geschützt.
Angenommen, ich frage ChatGPT nach einem Songtext für eine Rocknummer. Dann kommt ein passabler Text. Wem gehört er?
Ihnen. Denn nur Menschen können ein Urheberrecht auslösen. Eine Maschine nicht. Auch ein Affe nicht: Da gab es einmal einen Rechtsstreit über einen Affen, der den Auslöser einer Kamera betätigt hat.
Welchen rechtlichen Stellenwert hat KI allgemein?
Man kann das so erklären: ChatGPT stellt eine neue Zwischenstufe in den rechtlichen Rahmenbedingen dar. Es befindet sich zwischen dem Kläger, dessen Recht verletzt wird, und dem Endverbraucher, egal ob dieser jetzt schuldhaft handelt oder nicht. Denn Unterlassungsansprüche sind verschuldensunabhängig.
Was müssen Agenturen machen, um auf der sicheren Seite zu sein?
Am besten ist es, wenn sie selbst eine Prüfung einziehen, da hier ein Haftungspotenzial besteht. Das ungefilterte Übernehmen von Inhalten aus ChatGPT und anderen KI-Anwendungen führt auf lange Sicht zu Rechtsproblemen. Denn aufgrund der Sachverständigenrolle der Agentur kann diese sich niemals auf ChatGPT herausreden. Gut ist auch, KI in den AGB zu erwähnen.
Zum Vortrag „Künstliche Intelligenz ist in der Realität angekommen“ von Karoline Gericke