Fach­grup­pe

Künst­li­che Intel­li­genz: So bleibt man recht­lich auf der siche­ren Seite

20/09/2023

© Luef light

KI ist gekom­men, um zu bleiben. Schön, aber was nun? Ant­wor­ten darauf gab’s bei 2 Vor­trä­gen im Anschluss an die heurige Fach­grup­pen­ta­gung. Zu Wort kamen der Grazer Rechts­an­walt und Urhe­ber­rechts­exper­te Stefan Schoel­ler sowie Karo­li­ne Gericke von AWED Studio in Hamburg. Wir haben mit beiden ein Gespräch geführt.

Für den Grazer Anwalt und Urhe­ber­rechts­exper­ten Stefan Schoel­ler wirft der Einsatz von Künst­li­cher Intel­li­genz in der krea­ti­ven Arbeit eine Reihe von recht­li­chen Fragen auf. Wichtig dabei ist, vorab zu klären, ob und in welchem Ausmaß Künst­li­che Intel­li­genz in der Zusam­men­ar­beit zwi­schen Agen­tu­ren und Unter­neh­men ein­ge­setzt wird.  

Wissen die Krea­ti­ven genug Bescheid über das Thema Urhe­ber­recht gene­rell – und spe­zi­ell was KI betrifft?
Der Wis­sens­stand in den großen Agen­tu­ren ist gut, in den kleinen oder dort, wo gerade ein Per­so­nal­wech­sel statt­ge­fun­den hat, kann das ein Problem sein, da dann Wissen ver­lo­ren geht. Oft muss man wieder bei null anfan­gen. Der Wis­sens­stand ist für die Basis­fra­gen ausreichend.

Wenn man Texte und Bilder mit KI gene­riert, muss man dann ChatGPT, Mid­jour­ney etc. als
(Mit-)Autor angeben?
Wenn ich wis­sen­schaft­li­chen Regeln unter­lie­ge, also etwa als Schü­le­rin oder Student, und man ganze Pas­sa­gen über­nimmt, dann ja. Wenn ich ChatGPT aber nur nutze, um die Basis für eigene Ideen zu schaf­fen oder mich inspi­rie­ren zu lassen, ohne Bei­trä­ge 1:1 zu über­neh­men, dann muss man nicht darauf hin­wei­sen. Anders sieht es aus, wenn ich dafür bezahlt werde, Texte zu ver­fas­sen. Wenn ich den kom­plet­ten Text von ChatGPT gene­rie­ren lasse, ver­sto­ße ich gegen eine ver­trag­li­che Ver­pflich­tung. Denn beauf­tragt wurde schließ­lich die Agentur und nicht die Künst­li­che Intel­li­genz. Man muss den Kunden darauf hin­wei­sen, dass man ChatGPT für Social Media ver­wen­det. Das sollte sich dann aber auch im Honorar widerspiegeln.

Am besten, man spielt also immer mit offenen Karten?
Richtig, das ist die ideale Lösung. Man muss mit den Auf­trag­ge­bern ver­ein­ba­ren, dass (auch) ChatGPT ver­wen­det wird. Die Kun­din­nen und Kunden werden nichts dagegen haben, wenn die Agentur in der All­tags­kom­mu­ni­ka­ti­on ChatGPT ver­wen­det, aber sie werden da etwas dagegen haben, wo es um „Unique Claims“ oder Dinge wie Logos geht. Man sollte auch in den AGB klar­ma­chen, wenn ChatGPT ver­wen­det wird. Das betrifft sogar mich selbst als Anwalt: Ich habe mich bei­spiels­wei­se mit Apo­the­ken­recht beschäf­tigt und ChatGPT um Lösun­gen gefragt – die Ant­wor­ten waren nicht schlecht, so, wie man es sich von einem Exper­ten erwar­tet. Aber natür­lich darf ich das nicht 1:1 über­neh­men! Es geht auch um die eigene Exper­ti­se. Und alles muss offen kom­mu­ni­ziert werden.

Wie sieht es in anderen Berei­chen außer Text aus, etwa in der Logo-Entwicklung?
Eine Wer­be­agen­tur hat einmal einen Test gemacht und die KI gefragt: „Mach mir einen Busi­ness­plan, Wer­be­tex­te, ein Logo und such mir pas­sen­de Fotos für eine Bier-Braue­rei mit Sitz in Graz.“ Das Ergeb­nis war mehr als ver­blüf­fend! Unter anderen des­we­gen, weil die Fragen an die Künst­li­che Intel­li­genz sehr klug gestellt waren. Beim Logo ist das aber pro­ble­ma­tisch, denn es kann etwa ver­wechs­lungs­fä­hig sein. Daher ist es wichtig, sich im Mar­ken­re­gis­ter umzu­se­hen und den Ver­gleich zu anderen Marken selbst zu machen. Schließ­lich nähren sich die Bild­ge­ne­ra­to­ren ja aus Quellen, die es schon gibt. Dieses Thema ist aus recht­li­cher Sicht mit vielen unbe­ant­wor­te­ten Fragen behaf­tet. Eine sehr strit­ti­ge Angelegenheit.

Kann man die Quellen, aus denen die Künst­li­che Intel­li­genz schöpft, auf bestehen­de Werke zurück­füh­ren? Wäre das urhe­ber­recht­lich ein Problem?
Der Pool an Quellen, aus denen die KI schöpft, wird immer größer. Daher wird es auch immer schwie­ri­ger, die Ergeb­nis­se auf ein­deu­ti­ge Quellen zurück­zu­füh­ren, aus denen die KI das Ergeb­nis gene­riert hat. Außer­dem ist die KI mitt­ler­wei­le intel­li­gent genug, keine identen Dinge zu erzeu­gen. Meine Pro­gno­se: Es wird eher weniger Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten geben, außer jemand kann tat­säch­lich nach­wei­sen, dass es sich um ein identes Logo etc. handelt. Abge­se­hen davon: Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten haben beson­ders in Öster­reich und in Deutsch­land einen hohen Streit­wert, in Öster­reich zumin­dest 42.000 Euro.

Wie sieht es bei Musik oder akus­ti­schen Logos aus?
Diesen Fragen bin ich bereits begeg­net. Es gibt bei­spiels­wei­se Spiele-Ent­wick­ler, die Musik und Geräu­sche für Games her­stel­len. Es ergeben sich hier die­sel­ben Urhe­ber­rechts­pro­ble­me wie bei Bild oder Text: Wenn der Her­stel­ler einen Sound­track oder Geräu­sche aus anderen Quellen einfach ver­wen­det, wird in Daten­ban­ken ein­ge­grif­fen, die geschütz­te Ele­men­te ent­hal­ten. Sie gelten für sich genom­men zwar nicht als Werk, etwa das Geräusch eines Vogel­ge­zwit­schers, aber die Daten­bank ist geschützt.

Ange­nom­men, ich frage ChatGPT nach einem Song­text für eine Rock­num­mer. Dann kommt ein pas­sa­bler Text. Wem gehört er?
Ihnen. Denn nur Men­schen können ein Urhe­ber­recht aus­lö­sen. Eine Maschi­ne nicht. Auch ein Affe nicht: Da gab es einmal einen Rechts­streit über einen Affen, der den Aus­lö­ser einer Kamera betä­tigt hat.

Welchen recht­li­chen Stel­len­wert hat KI allgemein?
Man kann das so erklä­ren: ChatGPT stellt eine neue Zwi­schen­stu­fe in den recht­li­chen Rah­men­be­din­gen dar. Es befin­det sich zwi­schen dem Kläger, dessen Recht ver­letzt wird, und dem End­ver­brau­cher, egal ob dieser jetzt schuld­haft handelt oder nicht. Denn Unter­las­sungs­an­sprü­che sind verschuldensunabhängig.

Was müssen Agen­tu­ren machen, um auf der siche­ren Seite zu sein?
Am besten ist es, wenn sie selbst eine Prüfung ein­zie­hen, da hier ein Haf­tungs­po­ten­zi­al besteht. Das unge­fil­ter­te Über­neh­men von Inhal­ten aus ChatGPT und anderen KI-Anwen­dun­gen führt auf lange Sicht zu Rechts­pro­ble­men. Denn auf­grund der Sach­ver­stän­di­gen­rol­le der Agentur kann diese sich niemals auf ChatGPT her­aus­re­den. Gut ist auch, KI in den AGB zu erwähnen.

Prä­sen­ta­ti­on

Zum Vortrag „Künst­li­che Intel­li­genz ist in der Rea­li­tät ange­kom­men“ von Karo­li­ne Gericke

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