das recht gegen unlauteren wettbewerb
1. Was versteht man unter dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb (Lauterkeitsrecht)?
Das Lauterkeitsrecht bezieht sich traditionell auf die Rechtmäßigkeit unternehmerischer Verhaltensweisen in Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Es zielt darauf, das Verhalten der Marktteilnehmer im Wettbewerb von unlauteren Praktiken frei zu halten, damit die im Wettbewerb stehenden Unternehmen ihre Leistungen ungehindert präsentieren und abgeben können. Grundgedanke ist die Sicherstellung eines fairen Leistungswettbewerbs. Durch das Lauterkeitsrecht sollen Praktiken verhindert werden, mit denen sich ein Unternehmen einen als ungerecht empfundenen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten verschafft.
2. Unlautere Geschäftspraktiken
Zentrale Rechtsquelle des Lauterkeitsrechtes ist das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb 1984 (UWG). Seit der großen UWG-Novelle 2007, die der Umsetzung der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken diente, stehen im Zentrum der Betrachtung die sogenannten „unlauteren Geschäftspraktiken“. Angesichts der Vielschichtigkeit der möglichen Wettbewerbshandlungen ist das Lauterkeitsrecht ganz besonders geprägt durch Generalklauseln und darauf aufbauend von durch die Judikatur geschaffenem Fallrecht.
Die „große“ Generalklausel
Nach der sog. „großen“ Generalklausel kann insbesondere auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung anwendet, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen.
Ebenso kann auf Unterlassung geklagt werden, wer eine unlautere Geschäftspraktik anwendet, die den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet ist, das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet, wesentlich zu beeinflussen.
Um den unbestimmten Gesetzesbegriff der „unlauteren Geschäftspraktiken“ näher zu verdeutlichen, legt der Gesetzgeber fest, dass diese insbesondere in aggressiven oder irreführenden Geschäftspraktiken bestehen können, die in den sog. „kleinen“ Generalklauseln umschrieben werden.
Aggressive Geschäftspraktiken
Dabei gilt eine Geschäftspraktik als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Irreführende Geschäftspraktiken
Als irreführend gilt eine Geschäftspraktik insbesondere, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt (z.B. Waren, Dienstleistungen) über einen oder mehrere Punkte (z.B. die wesentlichen Merkmale oder das Vorhandensein des Produktes; die Person und Eigenschaften des Unternehmers wie Identität, Befähigung oder Auszeichnungen) derart zu täuschen, dass dieser dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
„Schwarze Liste“
Dem Gesetz ist zudem ein Anhang („schwarze Liste“) angefügt, worin eine Reihe konkreter Tatbestände aufgezählt ist, die jedenfalls als unlauter gelten (per se – Verbote).
Prüfungsschritte
Bei der Subsumption eines konkreten Sachverhaltes unter die Tatbestände des UWG ist daher zuerst die „schwarze Liste“ auf anwendbare Verbotstatbestände hin zu überprüfen. Wenn dies nicht der Fall ist, ist zu untersuchen, ob nicht eine sonstige aggressive oder irreführende Geschäftspraktik vorliegt. In einer dritten und letzten Stufe ist die Generalklausel des § 1 UWG auf seine Anwendbarkeit hin zu untersuchen.
Die Prüfungsschritte stellen sich also folgendermaßen dar:
Liegt ein Verbotstatbestand der „schwarzen Liste“ des Anhangs zum UWG vor? Wenn nein:
Liegt eine aggressive oder irreführende Geschäftspraktik vor? Wenn nein:
Fällt die Handlung als unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung unter die große Generalsklausel?
3. Typische Fallgruppen insbesondere der „großen“ Generalklausel
Aufgrund der bewusst und notwendiger Weise abstrakten Formulierungen und der Verwendung zahlreicher unbestimmter Gesetzesbegriffe hat sich das Recht gegen unlauteren Wettbewerb in erster Linie durch Richterrecht weiterentwickelt und wurde durch zahlreiche Urteile erst ausgeformt. Praxis und Lehre unterscheiden dabei z.B. folgende wesentliche Fallkategorien, wobei sich aber immer auch Überschneidungen mit den Generalklauseln über irreführende und aggressive Geschäftspraktiken ergeben können.
Kundenfang
Unter Kundenfang sind Methoden zur Kundenbeeinflussung zu verstehen, welche die freie Willensentscheidung des Kunden beeinträchtigen oder gar ausschließen. Dies geschieht häufig z.B. durch Irreführung, Ausübung physischen oder psychischen Zwanges, Manipulation durch Belästigung oder Verlockung bzw. aleatorische Reizmittel und Ausnutzung von Gefühlen in einem Ausmaß, dass eine rational-kritische Entscheidung mit sachlichen Erwägungen nicht mehr gewährleistet ist. Fälle des unlauteren Kundefanges durch Nötigung, Drohung mit Nachteilen und Ausübung von Druck unterliegen in der Regel schon der kleinen Generalsklausel der aggressiven Geschäftspraktiken.
Es ist z.B. auch unzulässig eine Werbemaßnahme so zu tarnen, dass sie dem Umworbenen als solche nicht erkennbar ist (z.B. persönlich adressierte Postkarte mit „persönlichem“ Text, die erst bei näherem Betrachten als Werbung erkennbar wird). Hier ist insbesondere auch die sog. Erlagscheinwerbung zu nennen, die – angesichts der zahlreichen Probleme – im Hinblick auf die Eintragungen etwa in Branchenverzeichnisse, etc. nunmehr sogar in einem eigenen Sondertatbestand geregelt wird.
Behinderungswettbewerb
Das Wettbewerbsrecht gibt niemandem einen Anspruch auf Wahrung seiner erreichten Position. Wettbewerbshandlungen eines Unternehmers werden sich regelmäßig in irgendeiner Form auf Mittbewerber auswirken, ohne dass dies gleich als unlauter zu werten wäre. Unlauterer Behinderungswettbewerb liegt aber etwa dann vor, wenn ein Unternehmer durch seine Maßnahmen (z.B. Werbung) darauf abzielt, dass ein Mitbewerber seine Leistung auf dem Markt nicht oder nicht mehr rein zur Geltung bringen kann.
Achtung
Ausbeutung fremder Leistungen
Bei der Ausbeutung fremder Leistungen kommt es zu Handlungen des nachahmenden Wettbewerbs, die nicht bereits ohnedies sonderrechtlich untersagt sind, und die unter besonderen Begleitumständen herbeigeführt werden, insbesondere, wenn verwerfliche Mittel benutzt werden (z.B. direkte Leistungsübernahme, vermeidbare Herkunftstäuschungen, Ausbeutung fremden Rufes).
Das Nachahmen z.B. von Produkten ist grundsätzlich zulässig, sofern nicht Ausschließlichkeitsrechte auf Grundlage von Sondergesetzen (z.B. Patentrecht) bestehen. Unlauter wäre es z.B. aber insbesondere dann, wenn das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ohne jede eigene Leistung ganz oder in erheblichem Maße glatt übernommen würde.
Beispiele
Abschreiben fremder Geschäftsbedingungen; Übernahme fremder Stellenanzeigen aus einer Zeitung in praktisch unveränderter Form ins Internet
Abgesehen von Fällen der Nachahmung in allen Einzelheiten („sklavische Nachahmung“) kann auch eine bewusste Nachahmung eines Produktes, dem eine gewisse wettbewerbliche Eigenart und Verkehrsbekanntheit zukommt, unlauter sein, wenn dadurch die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und eine andere Gestaltung zumutbar wäre (vermeidbare Herkunftstäuschung). Die Vermarktung eines Produktes, die eine Verwechslungsgefahr mit dem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet, stellt auch eine irreführende Geschäftspraktik dar.
Rechtsbruch
Einen Rechtsbruch im Sinne des UWG begeht insbesondere, wer durch Übertretung gesetzlicher Regelungen (z.B. Gewerbeordnung), einen sachlich ungerechtfertigten Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen versucht. Das Verhalten muss objektiv geeignet sein, den Wettbewerb nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (Spürbarkeitsschwelle). Neben Verstößen gegen die Gewerbeordnung können auch Verletzungen anderer Normen, die im geschäftlichen Verkehr der Unternehmer eine Rolle spielen (z.B. Öffnungszeitvorschriften, Preisauszeichnungsbestimmungen) einen unlauteren Rechtsbruch darstellen. In der Praxis handelt es sich um eine sehr wichtige Fallgruppe unlauterer Geschäftspraktiken.
4. Weitere Sondertatbestände jenseits der Generalklauseln
Das UWG enthält neben den erwähnten Generalklauseln auch weitere Sondertatbestände.
So widmet sich z.B. eine eigene Bestimmung der vergleichenden Werbung (Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von diesem angebotenen Waren bzw Leistungen erkennbar macht), die grundsätzlich zulässig ist, sofern sie insbesondere nicht irreführend ist und keine pauschalen Abwertungen oder Bloßstellungen enthält.
Das UWG enthält z.B. auch das Verbot der Herabsetzung von Mitbewerbern und Regelungen über die Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. In der Praxis bedeutend sind insbesondere auch die Bestimmungen über den Missbrauch von Unternehmenskennzeichen und über die Ankündigung von Ausverkäufen.
Die Ankündigung eines Ausverkaufs wegen Geschäftsauflösung (z.B. „Wir schließen“, „Totale Geschäftsaufgabe“ oder sinnähnliche Ankündigungen) oder Geschäftsraumverlegung bedarf der vorherigen Bewilligung der für den Standort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und hat neben der Angabe des Grundes des Ausverkaufs, den Zeitraum, währenddessen der Ausverkauf stattfinden soll und eine allgemeine Bezeichnung der zum Verkauf gelangenden Waren zu enthalten. Ausverkäufe wegen z.B. Umbaus oder Renovierung (ohne Geschäftsauflösung oder Geschäftsraumverlegung) unterliegen nicht der Bewilligungspflicht. Selbstverständlich dürfen auch solche Ankündigungen — wie jede Werbemaßnahme — nicht irreführend sein.
Ausverkaufsankündigungen wegen eines Elementarereignisses (z.B. Hochwasser, Brand) sind vorab der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.
Wer ist nach UWG klagsbefugt?
Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das UWG ist vor dem örtlich zuständigen Handelsgericht einzubringen und folgt den Regeln des allgemeinen streitigen Zivilprozesses. An sich kann – bei Vorliegen eines schuldhaften Verstoßes — auch ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen, allerdings sind derartige Ansprüche in der Praxis eher selten. Zentraler Anspruch gegenüber einem unlauter handelnden Unternehmen ist dagegen der – von einem Verschulden unabhängige — Anspruch auf Unterlassung, wobei die Antragsberechtigten je nach Tatbestand differieren. Auf Antrag kann das Gericht auch aussprechen, dass das Urteil auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen ist (z.B. in einer Zeitung), wenn dies zur Aufklärung des Publikums erforderlich ist.
Grundsätzlich sind natürlich vor allem Mitbewerber befugt, gegen sich unlauter verhaltende Konkurrenten auf Unterlassung zu klagen. Zudem können u.a. aber auch Vereinigungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen (unterlassungs-)klagsbefugt sein, sofern diese Verbände Interessen vertreten, die durch die Handlung berührt werden (z.B. Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, Fachorganisationen der Wirtschaftskammern). Kraft Gesetzes haben aber auch die Bundesarbeitskammer, die Wirtschaftskammer Österreich, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und der ÖGB in den meisten Fällen eine Verbandsklagsbefugnis. Im Falle aggressiver oder irreführender Geschäftspraktiken ist auch der Verein für Konsumenteninformation klagsbefugt.
Achtung
Das Recht gegen unlauteren Wettbewerb ist entscheidend durch die Judikatur der Gerichte im jeweiligen Einzelfall geprägt. Es handelt sich bei den obigen Ausführungen um einen groben und angesichts des großen Umfanges des Rechtsgebietes nur kursorischen, und keinesfalls vollständigen Überblick.
Weitergehende Informationen finden Sie auf der Homepage des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb.